Gestrandet …auf La Palma?

Von Alexandra Luna Vidal alias Magdalena Almado ©

Alexandra Geburtstag

Marie und Michel sind bereits seit über einem Jahr auf hoher See unterwegs. Sie haben sich ihren großen Lebenstraum verwirklicht, drei Jahre auszusteigen und mit ihrem neu restaurierten Segelboot Aurora eine Weltreise über die großen Ozeane zu machen, bevor sie zurück in ihre Arbeitswelt kehren und eine Familie gründen wollen. Ihre Reise hat in Südfrankreich begonnen. Sie haben bereits den Atlantik über die Kanarischen Inseln und Azoren von Europa bis Mittel- und Südamerika überquert und befinden sich nun im Pazifischen Ozean, um Richtung Australien zu segeln.

Vieles haben sie in diesem letzten Jahr gemeinsam überstanden, heftige Stürme, Todesängste, Schäden am Boot – aber vor allem hat sie diese Reise noch inniger zusammengeführt, als sie es jemals erahnen konnten.

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Sie sind heute genau 444 Tage rund um die Uhr auf engstem Raum beisammen. Sie durchlebten in dieser Zeit alle Höhen und Tiefen in ihrer Partnerschaft, ohne einander jemals entkommen zu können, viele Ängste und Zweifel, die sie doch immer wieder quälten und konnten letztlich immer tiefer in ein unbeschreibliches Vertrauen eintauchen, dass sie gemeinsam nun alles miteinander durchstehen können. Sie haben sich gegenseitig all ihre Schattenseiten gespiegelt und sind dadurch, in der Bereitschaft zu wachsen, in eine große Klarheit gekommen, offen zu sein für all das, was dieses gemeinsame Leben für sie noch bereithalten mag.

Der Lauterbacher Yachthafen
Ist der sichere Hafen verlassen, gibt es kein Entkommen mehr. Dann „tobt“ das Leben wie es will…

Wir befinden uns mitten im Ozean, sehen nichts als Wasser um uns und tiefe Schwärze am Himmel. Ein Wind unbestimmten Grades treibt unser Boot oftmals in eine vollkommen andere Richtung, als mir lieb ist. Ich sitze am Bordcomputer und sehe seit Stunden nichts als ein Flimmern, während Marie wie erstarrt an der Reling steht, immer wieder in die Ferne blickt. Sie erweckt den Eindruck, als wäre sie nicht mehr wirklich anwesend. Wir beide haben seit heute Morgen ein ganz unbestimmtes Gefühl, als würde sich um uns eine gewaltige unkontrollierbare Macht erheben. Marie hat vor zwei Stunden angefangen, in fremden Stimmen zu sprechen, die uns mitteilen wollten, dass wir demnächst beginnen werden, unser wirklich für uns vorgesehenes Leben zu führen. Was sollte das alles bedeuten? Es gibt keinen Kontakt mehr zur Außenwelt, so sehr ich mich auch bemühe, die Elektronik wieder in Gang zu bringen.

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Die Fahrt um die Spitze von Südamerika hatte uns alle Kräfte abverlangt, aber auch mehr und mehr in Innigkeit und gegenseitigem Vertrauen zusammengeschweißt. Die unbeschreiblich harte Konfrontation mit allen Elementen hat uns zugleich die wertvollste Begegnung mit dem ursprünglichen Leben ermöglicht. Nach dieser Herausforderung, die wir meisterhaft bewältigt hatten, beschlossen wir, uns in warme tropische Gefilde zu begeben und verließen Westpatagonien, um über den Pazifik Richtung Galapagos-Inseln und weiter nach Australien zu segeln. Was jetzt? Ein Sturm braut sich zusammen. Marie erscheint mit angsterfülltem Gesicht vor mir und meint, dass nun unser Ende kommen würde.

Erschrocken blicke ich in ihre Augen, die durch mich hindurch zu blicken scheinen … doch von einem Moment zum nächsten wandelt sich ihr Wesen zu vollkommener Ruhe und Gelassenheit – im selben Augenblick höre ich ein unbeschreibliches Krachen. Ich starte durch, um an Deck zu laufen und zu sehen, was geschehen ist. In dem Moment hält mich Marie zurück und meint in unglaublicher Gelassenheit mit ruhiger Stimme: „Vertraue, es wird geschehen …“ Sie nimmt mich an der Hand, zieht mich auf unsere Liegestatt und mir scheint, als würden wir gemeinsam untergehen … das Letzte, woran ich mich erinnere, ist ein Donnern der Naturgewalten um uns und danach …

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Ich habe keine Ahnung, was geschehen ist und wie lange wir hier gelegen sind. Als ich erwachte, spürte ich Michel eng um meinen Körper geschlungen und sah in sein friedvoll schlafendes Gesicht – er wirkte vollkommen entspannt. Ich wagte es, vorsichtig um mich zu blicken und sah pures Chaos um uns – alles bis auf unser Bett schien zerstört zu sein. Dennoch erlebte ich eine unbeschreiblich tiefe Stille in mir. Nichts, was ich sah, konnte mich erschüttern. Ruhig blieb ich in unserer innigen Umarmung liegen und dankte, diesen Moment erleben zu dürfen.
Achtsam wecke ich nun meinen Geliebten, der mich mit strahlenden Augen anlächelt. Beide wissen wir nicht, was uns erwartet, wenn wir nun an Deck gehen. Es ist uns jegliches Zeitgefühl abhanden gekommen. Die Sonne lässt ein paar Strahlen direkt durch unser Bullauge auf uns beide blitzen, die wir immer noch eng umschlungen da liegen, vollkommen ruhig, ohne Worte. Gleichzeitig erheben wir uns, um gemeinsam in langsamen Schritten auf dem friedlich dahinschaukelnden Boot nach oben zu gehen.

IMG-20180101-WA0001_optimizedWas sich uns bietet, ist ein Anblick, der unsere Vorstellungskraft bei weitem überbietet. Das Boot ist nicht mehr mit unserer eigenen Kraft in Bewegung zu bringen – die Masten gebrochen, die Segel liegen zerrissen an Bord und wie von magischer Hand gelenkt, werden wir auf eine sich vor uns erhebende Insel mitten in diesem Ozean getragen. Wir blicken einander an und sind immer noch sprachlos. Befinden wir uns in einem Traum? Sind wir gestorben und in der Anderswelt gelandet? Wir wissen nicht, wohin wir in diesem Moment getragen werden sollen. Nichts mehr ist hier mit unserem Verstand erfassbar und doch spüren wir tiefstes Vertrauen, als wir merken, wie unser Boot auf einen Widerstand stößt – ganz nahe bei dieser paradiesisch erscheinenden Insel. Wir suchen unseren Anker, der noch als einziges Gut auf unserem Boot unversehrt zu sein scheint, werfen ihn aus, springen in das tiefblaue klare Wasser und schwimmen gemeinsam an Land.
Hand in Hand betreten wir das Festland und wissen nicht, wie lange wir hier verweilen werden und noch weniger, was das Leben nun mit uns beiden vorhat …

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Als ich vor Jahren diese Kurzgeschichte für mein Buch „Trancereisen zu mir selbst, und darüber hinaus“ schrieb, hatte ich schon lange die große Sehnsucht in mir, meine Heimatstadt Graz in Österreich zu verlassen und auf eine Insel zu ziehen. Am glücklichsten war ich immer auf Inseln. Lange Zeit dachte ich, ich würde es erst wagen und schaffen, wenn mir das Schicksal meinen „Seelen-Partner“ gebracht hat, weshalb ich darauf hoffte und wartete. Mir erschien es als unerlässlich das zu zweit zu machen, da beinahe alle Menschen, die so einen Weg gegangen sind, es nicht alleine verwirklicht haben. Aber das Schicksal wollte mir diesen Gefallen – bis heute – nicht tun, weshalb ich genau vor einem Jahr entschied, es alleine zu schaffen, meine Wohnung zu verkaufen, die binnen zwei Wochen verkauft war und auch sonst alles hinter mir zu lassen, um diese Reise in MEIN LEBEN alleine anzutreten. Alleinsein habe ich in meinem bisherigen Leben am besten gelernt, auch wenn ich zwei wunderbare Kinder auf der Reise in ihr Leben begleiten durfte. Tatsächlich endgültiger Auslöser für diese Entscheidung war der Suizid einer Freundin, die wie ich ihre Träume und Visionen hatte und nicht gewagt hatte, sie zu verwirklichen, weshalb sie den Weg in den TOD statt den Weg in IHR LEBEN gewählt hat. Es war genau zu jener Zeit als mich La Gomera, meine „Schicksalsinsel“ – auf der ich im Sommer 2008 einen schweren Unfall zwischen den Brechern des Atlantik und den Felsen auf wundersame Weise überlebte – wieder gerufen hatte. Und ich war gerade zwei Tage dort – im Sommer 2016. Die Nachricht von ihrem Tod hat mich aufgerüttelt, endlich meinem Herzen zu folgen, was ich dann ein Jahr später tat. So war es, dass ich mich im Sommer 2017 aufmachte, um letztlich nach sechs Monaten Nomaden-Daseins zwischen La Gomera, Teneriffa und La Palma, zu entscheiden, LA PALMA als MEINE INSEL zu erleben, mich hier niederzulassen und endlich MEINE BERUFUNG zu leben…
Also bin ich heute vor zwei Monaten endgültig auf La Palma „gestrandet“ – ALLEINE – auf der Suche nach meiner CASA ALMA, einem „Haus für Heilung, Begegnung und Bewusstsein“, einem Platz, wo ich meine Behandlungen, meine Workshops, meine Retreat-Wochen und MEIN LEBEN verwirklichen möchte… und wenn es das Schicksal mir noch vorsieht, meinem Herzens- und Seelen-Partner begegnen darf…

Über die Autorin:

www.luna-vidal.com
Alexandra Luna Vidal, Juristin, Lebens- und Sozialberaterin mit Schwerpunkt in Paar- und Sexualberatung, Hypnosecoach – Aufarbeitung in Trance, ganzheitliche Energiebehandlungen, Frauenarbeit, Tanz-, Theater- und Ausdruckspädagogin, Yoga-Übungsleiterin mit Fortbildung zur KinderyogaÜbungsleiterin der Yoga Vidya Austria, Qigong-Praktizierende im Qigong der Wuhan Yangsheng Qigong-Meisterschule Wien

Autor: Marius Jaster

Aus Liebe zur Natur, besonders aber zum Meer und zu den Landschaften, die von Wind und Meer geprägt sind, bin ich seit einigen Jahren als Ostseereporter unterwegs gewesen. Jetzt treibt mich als Inselreporter die Sehnsucht bevorzugt auf die Inseln, die ich mag. Und zwar nicht nur die der Ostsee. Ich arbeite als Freier Publizist und publiziere in verschiedenen Medien durch Texte, Bilder, Filme, sowie durch eigene Bücher.

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