Wenn es ständig überall weh tut und der Hausarzt nicht helfen kann (oder will!)
„Manchmal kann ich nicht einmal einen Schluck Wasser trinken. Der bleibt mir förmlich mit erheblichen Schmerzen im Hals stecken“, erzählt Miriam C. (Name geändert). Doch sie ist nicht die Einzige, die unter Schmerzen und teilweisen Schwellungen am ganzen Körper leidet. Jeden Tag zwickt es woanders. Hinzu kommen Abgeschlagenheit, Schlafstörungen, Magen-Darmbeschwerden und viele rätselhafte funktionelle Störungen. Trotzdem kann sie gut lachen, weil sie damit umgehen kann!
Bundesweit betrifft es etwa 3,2 Millionen Menschen. Also jeder 33. (!) der Dir Tag für Tag über den Weg läuft.
Das Schlimme daran ist: Wer denkt, der Hausarzt kann schnell helfen, der irrt und wird in ein weiteres Leidensmartyrium geschickt, was größtenteils die Sache noch verschlimmert. Denn es gibt keinen körperlichen Befund! Demzufolge auch keine konkrete Behandlungsmöglichkeit. Schmerzmittel helfen nicht – noch nicht einmal Opiate – die bringen aber bekanntlich Nebenwirkungen mit sich.
Fibromyalgie nennt sich diese gespenstische, schwere und chronische Krankheit. Zu gut deutsch: Fasermuskelschmerz. Und weil sie nicht direkt diagnostiziert werden kann, wird sie auch als Fibromyalgie-Syndrom (FMS) bezeichnet.

Niemand wird daran sterben und niemand wird deswegen im Rollstuhl sitzen, aber Spaß und Lebensfreude, Zweisamkeit und Genuss werden durch diese chronischen Schmerzen eingeschränkt oder gar unmöglich. Und das an jedem Tag. Egal, ob Ostern, Pfingsten, Weihnachten oder Urlaub ist – und an Arbeitstagen sowieso. Hier ist der Chef, der es nicht verstehen kann und zu Hause die Familie, die oft genug mit leidet oder gar kein Verständnis aufbringt, wodurch der Betroffene noch mehr leidet.
Nicht wenige Menschen mit dieser Krankheit sind berufsunfähig, oder teilweise berufsunfähig, oder restlos verzweifelt, weil niemand die Berufsunfähigkeit erkennt und die Krankheit schon gar nicht!
Dr. Francis Baudet bei seinem Vortrag beim Fibromyalgie-Kongress.
Schmerztherapeut Dr. Francis Baudet von der Insel Rügen: „Wenn der Patient Schmerzen hat, muss er in Deutschland erst einmal ein halbes Jahr leiden. Er wird von Pontius bis Pilatus geschickt. Erst zum Röntgen, dann zum Orthopäden, von dort zum Chirurgen, zum Neurologen, zur Krankengymnastik... und erst nach 6 Monaten darf er an einen Schmerztherapeuten überwiesen werden. Dann kann ein Schmerz aber schon chronisch sein.“
Deutschlands Hausärzte tun sich schwer mit Fibromyalgie. Sie können es nicht sehen, nicht ertasten, nicht röntgen. Baudet: „Der Hausarzt ist nicht qualifiziert und wenig interessiert, oder sagt gleich, dass es FMS nicht gibt. Weil er damit kein Geld verdient. Der Orthopäde schafft es, eine Arbeitsfähigkeit von 4-6 Stunden (mit Pausen) herzustellen. Und das, obwohl FMS seit 1994 von der WHO anerkannt ist! Es wird Zeit, dass alle Ärzte sich dafür sensibilisieren lassen.“
Denn so langsam aber sicher forscht sich die Wissenschaft auch in dieses Thema hinein:
FIBROMYALGIE: ERSTER NACHWEIS ERBRACHT (Zitat von der FMS-Website):
Sie sind für die Wahrnehmung von Schmerzen verantwortlich und für das Temperaturempfinden: Sogenannte kleinkalibrige schmerzleitende Nervenfasern (small fibers), deren Endigungen in der Haut lokalisiert sind. Auf diese Fasern haben sich Wissenschaftler der Universität Würzburg konzentriert bei der Suche nach den Auslösern der typischen Schmerzen bei Fibromyalgie. Mit Erfolg: „Wir haben bei Patienten mit einem Fibromyalgie-Syndrom deutliche Zeichen für eine Schädigung der kleinen Nervenfasern nachgewiesen“, sagt Nurcan Üçeyler, Privatdozentin an der Neurologischen Klinik des Würzburger Universitätsklinikums. Über die Ergebnisse ihrer Studie berichtet die Fachzeitschrift Brain in ihrer aktuellen Ausgabe.
Jedes Frühjahr treffen sich Spezialisten und Betroffene zum Kongress „Deutscher Fibromyalgie Tag“ der deutschen Fibromyalgievereinigung (DFV) e.V. Hier werden Erfahrungen ausgetauscht. Beim 18. „Fibromyalgie Tag“ berichteten Spezialisten über ihre Bemühungen, bestehendes Fachwissen an Ärzte weiter zu geben. „Nur die Resonanz bleibt aus. Bei einer Veranstaltung kamen 300 Menschen, davon nur 25 Ärzte – obwohl die Veranstaltung ursprünglich nur für Ärzte gedacht war“, berichtet ein Spezialist etwas resigniert. Oder noch schlimmer: 100 Ärzte von Rügen werden direkt eingeladen – drei sind da, aber nicht von Rügen!
So ist FMS die oft verkannte und die nicht anerkannte Krankheit. Dr. Baudet: „Der lange Weg bis zur Anerkennung der Krankheit geht nur über die Akzeptanz, die richtige Diagnose, die Therapie und endet – wenn Einschränkungen im Berufsleben auftauchen –bei einem Gutachten. Zurzeit vergehen sieben bis neun Jahre (!) bis zur richtigen Diagnose.“
Bis dahin leiden FMS-Patienten oft unter falschen Diagnosen und Behandlungen. So werden sie zum Beispiel drei Mal öfter operiert. Sinnlos an den Handgelenken (Karpaltunnel) oder an den Ellenbogen. So nach dem Motto: „Mal probieren ob es hilft.“

Letztlich könnte es für die betroffenen Patienten jedoch viel einfacher und erträglicher sein, denn es gibt Hilfe und Möglichkeiten, mit der Krankheit umzugehen. Nur: die Wenigsten wissen das.
Speziell ausgebildete Schmerztherapeuten und Kliniken bieten ein umfangreiches Programm zur Hilfe an. Ursachen werden erforscht. Das können psychische Faktoren sein oder psychosozialer Stress. Aber auch Veränderungen im Immunsystem, Verletzungen durch Operationen, seelische oder körperliche Traumata sowie orthopädische Erkrankungen.
Letztlich kann diese Krankheit noch keiner heilen – oder nur in den seltensten Fällen. Aber nach der richtigen Diagnose lernen die Patienten damit umzugehen und sich selbst zu helfen. Zum Beispiel gibt es eine Vielzahl an Bewegungsformen, die den Schmerz lindern. Eigenbewegung ist eine der wichtigsten Maßnahmen und tut gut!
Es gibt also eine Vielzahl an Therapiemöglichkeiten, nur müssen Betroffene dort erst mal hinkommen! Das ist nicht einfach, wenn der Hausarzt sich nicht auskennt und die Symptome einfach ignoriert. Keine Überweisung, keine Schmerztherapie! Dr. Baudet – selbst auch Hausarzt gewesen: „Der Patient ist ein mündiger Patient. Seine Karte gehört ihm und es ist manchmal sinnvoll, den Ärzten auf die Zehen zu steigen und zu sagen: Hallo, ich habe Schmerzen und möchte nicht, dass sie chronisch werden“. Oft genug lohnt es sich auch, einfach den Arzt zu wechseln.
Alle Spezialisten, die am Fibromyalgietag ihre Vorträge hielten sind sich einig: Der Patient muss ALLES erzählen! Also nicht nur zwei, drei Punkte, wo es gerade weh tut, sondern eben alle: Nacken, Arme, Beine… Selbst wenn etwas peinlich wird, zum Beispiel das Sprechen über Sex oder die Beziehung – es ist extrem wichtig! Denn es gibt die sogenannten Leitlinien für Diagnose und Therapie. (Das Portal der wissenschaftlichen Medizin: www.AWMF.de) In diesen Leitlinien – in diesem Fall in der „Begutachtungslinie für chronischen Schmerz“ ist klipp und klar geregelt, nach welchen Kriterien die Diagnose Gültigkeit besitzt. Da gibt es zum Beispiel auch eine Checkliste für alle Schmerzpunkte, nach denen FMS bewertet wird. Die Patienten sollten unbedingt auf die 100%-ige Anwendung dieser Leitlinien achten. Vor allem, wenn es um Berufsunfähigkeit geht. Gutachten bei Gerichten können in Frage gestellt werden. Richter (Sozialgericht) sind verpflichtet, nach dem aktuellen wissenschaftlichen Stand zu entscheiden. Sowohl bei FMS, als auch bei anderen chronischen Schmerzen. Bei einer Prüfung stellte sich heraus: Nur 2 von 50 Gutachten waren Leitlinienkonform. Die Patienten sollten alle Gutachten ablehnen, ggf. juristisch dagegen vorgehen, die nicht nach diesen Leitlinien erstellt wurden. Wie sagte es ein Arzt beim Kongress: „Ein Gutachter bekommt seine Aufträge von der Rentenkasse – oder auch nicht. In welchem Sinne handelt er also?“

Für Betroffene gibt es hier ausführliche und kostenlose Beratung und Hilfe: DEUTSCHE FIBROMYALGIE VEREINIGUNG (DFV) e.V. Durch das Wirken des Vereins wurde Fibromyalgie als Schwerbehinderung und chronische Krankheit anerkannt. Auf der Homepage www.fibromyalgie-fms.de gibt es zahlreiche Informationen, Hilfsangebote, alle aktuellen Termine, – also alles, was hilft. Nicht zuletzt eine Übersicht über die bestehenden Selbsthilfegruppen bundesweit. Monika Gabriele-Voß – selbst betroffen und Gruppensprecherin der Selbsthilfegruppe Hamburg Nord: „Es ist ein gutes Gefühl, in einer Selbsthilfegruppe im Notfall auch für andere dazusein, vor allem aber der Austausch über alles, was den Schmerz lindern hilft.
Nutzt die Möglichkeiten! Damit Ihr Lachen könnt – also damit umgehen – auch wenn es zwickt!
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Fotos: © Marius Jaster
Von solchen Ärzten kann ich auch berichten. Ich war bei einem Rheumatologen, bei dem Anruf wegen eines Termins wurde mir versichert, er kenne sich mit Fibro aus. Nach über 3 Monaten warten (in denen nichts passierte, außer Schmerzen und dafür Tabletten) dann der Termin. Als erstes Blut abnehmen.2 Ärzte in 2 Zimmern in der Praxis, der erste erkundigte sich kurz nach Schmerzen, unterbrach mich nach nichtmal 3 Sätzen und erzählte mir dann von seiner Assistenz-Zeit in Afrika, zwischendrinn Röntgen der Hände und Füße, Blick des 2. Arztes auf die Bilder. Und dann teilte er mir mit, das ich kein entzündliches Rheuma habe. Das habe ich bestätigt, deswegen sei ich auch nicht dort, sondern wegen des Verdachts auf Fibromyalgie. Seine Worte:Das würden sie aber nicht behandeln, außerdem, was würde es mir bringen, wenn ich es wüßte?! Gestern, 2 Monate nach dem Termin bekam ich einen Brief mit meinen Blutwerten und einer Karte, auf der steht, das ich kein Rheuma hätte und auch keine Hinweise auf Fibromyalgie vorliegen. Ich wurde nicht mal untersucht, geschweige denn, gefragt, wie meine Beschwerden sind.
Und das war die einzige Praxis im Umkreis von 100 km die sich angeblich mit Fibrimyalgie auskennt… Langsam verzweifle ich…
Kennt wer einen Ansprechpartner in Österreich? Optimal wäre Wien oder Niederösterreich lg
Hallo, seit meiner frühesten Jugend hab ich fürchterliche Schmerzen. Meine Eltern und der zuständige Arzt waren nach etlichen Untersuchungen der Meinung, das ich lüge und faul bin. Das zog sich so lange durch meine Jugend, bis ich von daheim auszog. Dann gings aber erst so richtig los. Zum Faulsein kam die eingebildete Kranke dazu.. dann Depressionen und Panikattacken….
Dank meinen Humors war ich nie in einer psychologischen *Heilanstalt*
Ich leite seit über 10 Jahren eine eigene Selbsthilfegruppe für A + D. Die hat mir selbst am meisten geholfen, durch den regelmäßigen Austausch.
Meine Fibro ist vor Jahren in einer Rheumaklinik festgestellt worden trotzdem werde ich von den Ärzten hier vor Ort nicht mit meinen Schmerzen ernst genommen. Ich bin auch in einer Schmerzabulanz in Behandlung wegen meinen chronischen Wirbelsäulenschmerzen ( Versteifungsop Lws) auch da wird mir von der Ärztin gesagt Fibromyalgie gibt es nicht es wäre eine Ausschlussdiagnose. Was soll ich davon halten und wie kann ich einen guten Arzt für die Fibro finden?
Hallo Tine, setz Dich mal mit dem im Beitrag genannten Verein in Verbindung. Die wissen das besser als ich – ich weiß ja noch nicht mal, in welcher Ecke von Deutschland Du lebst. Liebe Grüße Marius
Hallo , sehr gut beschrieben. Habe ein langen Leidensweg hinter mir . Von Arzt zu Arzt . Bei mir ist alles Chronisch geworden . Versuche damit zu leben . Habe ein guten Schmerzarzt gefunden der mich auch versteht . Allerdings muss ich 50 Kilometer fahren . Leider gibt es wenige gut ausgebildete Schmerzärzte. Lg